Eine kleine Geschichte über den Wolf

Um kaum ein Tier ranken sich so viele Mythen und Legenden wie um den Wolf. Das meiste davon hält einer nüchternen Betrachtungsweise nicht stand. Es gab Zeiten, in denen der Wolf das am weitesten verbreitete Säugetier der Welt war. Die menschliche Phantasie beschäftigte er stets, was zu zweifelhaften Ergebnissen führte. So wurde er zur heimtückischen Bestie, zum Tier des Blutes und der Dunkelheit gemacht und gab eine nur allzu dankbare Projektionsfläche für Ängste und Haß ab. Im „Rotkäppchen“ erscheint der Wolf wie in zahlreichen anderen literarische Quellen als böses, fressgieriges Tier, vor dem man sich unbedingt hüten müsse.

In Mitteleuropa ist der Wolf praktisch ausgerottet und sickert allenfalls bisweilen aus dem Osten in Grenzregionen und Grenzwälder ein. Rund ein Drittel aller europäischen Wölfe lebt in den rumänischen Karpaten. Dort zieht es die Tiere sogar zunehmend in die Städte und Dörfer, wo sie nachts häufig durch die Straßen und Wohnblocks auf der Suche nach Nahrung streifen. Zoologen halten die in diesen Regionen zu beobachtende Tendenz des Wolfs zum Kulturfolger für bedenklich, zumal das Aufeinandertreffen mit der menschlichen Zivilisation oft tragisch für die Tiere endet.

 

Vom Kopf bis zum Rumpf misst der Wolf 100 bis 150 Zentimeter bei einem Gewicht

von 25 bis 70 Kilo und einer Länge des buschigen Schwanzes von 30 bis 50 Zentimetern.

Die Tragezeit beläuft sich auf 61 bis 63 Tage, im April oder Mai werden in der Regel zwischen

vier und neun Jungtiere geboren, die ein Gewicht zwischen 300 und 500 Gramm aufweisen.

Bis zu neun Wochen saugen diese an ihrer Mutter und werden mit zwei bis drei Jahren -

manche Tiere auch schon früher - geschlechtsreif.

Der Schutz des Wolfes, dessen Natur wir allmählich besser zu verstehen lernen, ist eine lohnenswerte Aufgabe im Sinne der Versöhnung des Menschen mit der Schöpfung. Wir haben entdeckt, daß die große Reviere beanspruchenden, freiheitsliebenden Tiere über eine erstaunliche Leistungsfähigkeit und hoch entwickelte Sinnesorgane verfügen sowie ein ausgeprägtes Sozialverhalten an den Tag legen. Dabei erweist sich die Wolfsgemeinschaft in manchem sogar als Spiegelbild der menschlichen Gesellschaft, sind auch in ihr Werte wie Intelligenz, Lernfähigkeit, Loyalität, Überlebenskraft sowie Tradition von entscheidender Bedeutung. Wenn wir das Wesen des Wolfs erforschen, können wir dabei stets auch etwas über unsere eigene genetische und ethologische Herkunft erfahren. Die Erhaltung der letzten Rückzugsgebiete des Wolfs muß von uns als eine der großen Aufgaben des Tier- und Naturschutzes zu Beginn des 21. Jahrhunderts begriffen werden.